Mit seinem Debütalbum Fehler im System erlangte Peter Schilling 1983 weltweiten Erfolg. 40 Jahre später blickt der Sänger mit seinem neuen Album „Coming Home – 40 Years of Major Tom“ zurück – und veröffentlicht gleichzeitig neue Musik. Im Gespräch warfen wir einen Blick auf seine beeindruckende Karriere, sprachen über alte und neue Songs und blickten auch kurz in die Zukunft.
Es gibt nur ganz wenige Songs, die ein Riesen-Hit werden und gleichzeitig vier Jahrzehnte überdauern, ohne dabei je in Vergessenheit zu geraten. Im Jahr 1982 veröffentlicht, gelingt Peter Schilling mit Major Tom (Völlig losgelöst) genau das. „Das Geheimnis dieses Songs ist und bleibt ein Geheimnis“, sagte er im Gespräch lachend. „Ich kann mir nur vorstellen, dass es die Thematik ist. Und der Sound ist natürlich einzigartig und hat selbst heute eine gewisse Aktualität. Wenn ich es höre, denke ich mir: ‚Wow, klingt immer noch frisch.‘ Ich habe mich keinem Zeitgeist hingegeben, sondern war ganz originär ich“, versuchte sich der Sänger dennoch an einem Erklärungsansatz.
„Neue Klangtür aufgestoßen“: Peter Schilling über die Entstehungsgeschichte seines Debütalbums
Das Gefühl, Major Tom könnte ein ganz großer Hit werden, habe er beim Schreiben nicht gehabt, es sei mehr das gesamte Album gewesen, erklärte er mir. Basierend auf …Dann trügt der Schein seien alle Songs seines Debütalbums Fehler im System entstanden. „Mit diesem Song habe ich für mich eine neue Klangtür aufgestoßen. Das war so sensationell damals, diesen Song zu hören. Ich habe die halbe Nacht dagesessen und habe es immer und immer wieder angehört“, erinnerte er sich.
„Das heißt, Major Tom stach gar nicht heraus. Sondern das Album war ein Gesamtkunstwerk. Zuerst dachte ich, Fehler im System sei die beste Nummer. Man ist da so im Flow, dass man gar nicht merkt, was man Großartiges geschaffen hat“, sagte er zu mir und fügte an, „Songs fallen einem nicht einfach so in den Schoß. Das ist eine sehr energiereiche Arbeit. Man muss sich richtig reinknien in die Musik und das ist sehr anstrengend.“
Von der Plattenfirma auf die Bühne: „Ich habe gefühlt, dass ich das schaffe“
Schon lange bevor Schilling mit seinem Debütalbum 1983 erst deutschlandweit und später über Europa bis in die USA und Kanada an die Spitze der Charts kletterte, war er in der Musikbranche tätig. Als sogenannter Springer bei der Plattenfirma WEA lernte er die Branche aus einem anderen Blickwinkel kennen. „Es war natürlich eine unheimlich lehrreiche Zeit. Ich habe Tourneebegleitung gemacht, Vertreter vertreten, wenn mal jemand krank oder im Urlaub war. Ich habe diesen Job also wirklich von der Pike auf gelernt.“
1979 gab er seine Festanstellung auf, macht sich als Sänger/Songwriter selbstständig. „Ich habe die Regler komplett auf null gestellt und alles riskiert – aber es hat sich gelohnt“, blickte er zurück. Zu diesem Zeitpunkt schrieb Schilling schon über zehn Jahre lang Songs, trat auf. „Ich habe gefühlt, dass ich das schaffe. Das war mein Bauchgefühl.“ Aller Anfang ist jedoch schwer – so auch bei Schilling: „Ich habe einmal drei Tage lang nichts zu essen, nichts zu trinken daheim gehabt, ich musste mich durchhangeln. Es war schon eine harte Zeit.“
Der Plattenfirma, für die er einst noch arbeitete, blieb er dennoch treu – nur in anderer Funktion. Denn WEA war es, die damals sein Debütalbum veröffentlichte. Auch 40 Jahre später – aus WEA ist inzwischen Warner geworden – ist Schilling mit seiner Anthologie „Coming Home – 40 Years of Major Tom“ bei der Plattenfirma, mit der alles begann.
Neues Album ist in sieben Städten entstanden – Peter Schilling über den Entstehungsprozess
40 Jahre seien eine verdammt lange Zeit, so Schilling. Lasse man das Erlebte Revue passieren, ziehe es blitzartig an einem vorbei. „Das ist schon irgendwie ein merkwürdiges Lebensgefühl.“ Dennoch sei es toll, vier Dekaden des eigenen Schaffens noch einmal so aufgearbeitet zu haben. „Dass meine Record Company mir die Gelegenheit gegeben hat, das zu tun, ist natürlich auch eine Verneigung vor meinem Repertoire. Wir haben die 75 besten Songs aus meiner Karriere gepackt und sie geremastert, sodass sie klanglich einfach auf einem Level sind.“
Entstanden ist das Album zwischen Venedig, Los Angeles, Lima, Ingolstadt, Amsterdam, München und Köln, erklärte er mir. Selbst an allen diesen Orten gewesen, sei er jedoch nicht. „Wir haben zumeist Files hin und her geschickt.“ Er sei kein Gruppenmensch, der sich mit 20 Leuten in einen Raum setze und einen Song schreibe. „Das würde mich ablenken. Ich muss mich da ganz auf mich konzentrieren“, gab er einen Einblick in die Entstehung seiner Musik. Die digitale Entwicklung der vergangenen Jahre bezeichnete er daher als „genau das richtige“ für ihn – und ließ die Thematik auch im Rahmen eines neuen Songs auf seinem Album einfließen.
In Alles bleibt singt Schilling: „Bilder von früher, sie verblassen mit der Zeit. Kein Upload geht je verloren. Alles bleibt.“ Die Entwicklung hin zum Digitalen liebe er, sie sei mehr Segen als Albtraum, so Schilling im Gespräch. „Du hast die Dinge heute mehr in der Hand und kannst sie selbst gestalten. Nur – und das sagt der Song aus – man muss aufpassen und sehr verantwortungsvoll mit dem umgehen, was man postet. Denn, wie gesagt: Das bleibt. Es geht nie verloren.“
Die Umwelt als zentrales Thema von Peter Schilling – auch im Animationsfilm „Der kleine Major Tom“
Die englische Version des Songs, Playground Earth, feierte seine Premiere auf YouTube zeitgleich zur sogenannten Earth Hour. Im Zusammenhang mit Peter Schilling als Mensch und Künstler ist das keine große Überraschung. „Umweltthemen sind meine Themen“, sagte er zu mir. Das sollte seinen Fans spätestens nach seinem Hit Die Wüste lebt klar geworden sein. Mit Lyrics wie „Die Erde hat den Menschen satt“ oder „Die Luft wird immer dünner, die Hitze immer schlimmer“ spielte Schilling direkt auf den Klimawandel an.
Dass der Song thematisch auch im Jahr 2023 noch aktuell sein würde, habe er 1982 schon erwartet. „Ich hatte damals gehofft, ich irre mich. Aber ich habe mich leider nicht geirrt und das war mir auch klar. Denn damals war es ja noch viel schlimmer mit der Umweltverschmutzung“, erklärte Schilling. „Damals hatte jeder Linienbus eine schwarze Fahne hinten raus“, fügte er an – und nannte damit gleichzeitig seine Inspiration für den Song. „Mich umgeben nur Menschen, denen diese Themen auch am Herzen liegen.“
Ein Zufall ist es daher nicht, dass auch im neuen Animationsfilm „Der kleine Major Tom – Aufbruch ins Ungewisse“ naturwissenschaftliche Themen im Vordergrund stehen. Nach 17 Kinderbuchfolgen gleiten der kleine Major Tom, seine Freundin Stella und die Roboterkatze Plutinchen nun auch auf einer Leinwand durch das All. Fünf Jahre lang sei an dem Film gearbeitet worden, verriet Schilling, der die aktuelle Zeit rund um Filmpremiere und Album genießt.
Peter Schilling wieder live: Wann ist es so weit?
„Alle Investitionen, Risiken, die man vor fünf, sechs Jahren eingegangen ist, haben funktioniert. Ob es das Album ist, der Film oder die Buchbände. Das ist wirklich eine wunderschöne Zeit für mich.“ Um den besten Tag seiner Karriere zu benennen, müsse er daher gar nicht weit denken. „Das Angebot von Warner Music, dieses Album machen zu dürfen“, antwortete er im Gespräch prompt. „Im Moment erlebe ich täglich schöne Momente. Ich bin 67 Jahre alt. Diese Zukunft zu haben, die so offen gestaltet ist, das wollte ich immer. Und auch dieser Wunsch ist in Erfüllung gegangen.“
Bleibt nur die Frage, ob es Peter Schilling nach langer Zeit im Rahmen seines neuen Albums auch wieder auf die Bühne zieht? „Ich habe mich ganz bewusst lange vor Corona im Wesentlichen zurückgezogen live, weil ich mich als Live-Künstler meiner Sicht nach neu definieren muss“, erklärte er. „Das gelingt uns jetzt langsam. Denn ich möchte nur noch auf Bühnen, auf denen ich mich wohlfühle. Ich möchte das Publikum erreichen, das mir wichtig ist für meine Texte und das auch offen ist für meine Nachricht.“
Erste Grundideen, an welchen Orten und was gespielt werden könnte, gebe es bereits, verriet Schilling mir. Er rede jedoch ungern über Pläne. Die Chance Major Tom (Völlig losgelöst), Klassiker wie etwa Terra Titanic und neue Songs live zu erleben, stehen aber wohl recht gut. „So viel kann ich sagen: Live lebt in mir wieder“, betonte Schilling.
Artikel geschrieben von Michelle Brey
Foto: Warner Music