50 Jahre nach Olympia finden in München die European Championships statt. Neun Sportarten unter einem Dach, so das Motto des Multisportevents. Vier Tage nach dem Auftakt wird es am 15. August für die Marathonläufer:innen ernst. Athletin Katharina Steinruck (Eintracht Frankfurt) stand mir im Vorfeld der Europameisterschaft Rede und Antwort.

Sie ist eine von drei (Einzelleistung) beziehungsweise sechs (Teamleistung) Athletinnen, die vom Deutschen Leichtathletik Verband (DLV) nominiert wurden. Am 4. August lief Steinruck ihren letzten Marathonspezifischen Lauf (MSL), wie sie mir im Gespräch erzählte. Das entspricht einer Strecke von 30 Kilometern. Auch in München wird die 32-Jährige noch einmal Trainingseinheiten absolvieren. Teil eins des Interviews.

Es sind nur noch wenige Tage bis zu Deinem Marathonlauf am 15. August bei den European Championships 2022. Wie sehen die letzten Tage vor dem Wettkampf bei Dir aus?

Ich habe jetzt noch ein paar ruhige Tage in Frankfurt. Ich mache die sogenannte Saltin-Diät (Anm.d.Red.: Carbo-Loading nach vorheriger Entleerung der Kohlehydratspeicher). Das mache ich seit zwölf Jahren. Die Diät beginnt bei mir eine Woche vor dem Rennen. Das beinhaltet dann auch noch einmal zwei Einheiten, bei denen man das Tempo nochmal so ein bisschen ankitzelt.

Wann reist Du nach München?

Am Samstag. Und dann wird es aufregend.

Wie sieht Deine Vorbereitung vor Ort aus?

Da mache ich dann natürlich nochmal einen Dauerlauf nach der Reise. Ich hab es ja nicht ganz so weit, weil ich aus Frankfurt komme. Am Sonntag ist quasi die ganz normale Vorbereitung, sprich eine Einlaufarbeit. Dementsprechend stehen in München noch einmal zwei Einheiten an, aber ganz entspannt. Ich sage mal so: Jetzt kann ich eh nichts mehr machen. Das Training ist drin, jetzt heißt es eigentlich: Beine hoch und hoffen, dass die Form kommt.

European Championships 2022: Marathonläuferin Katharina Steinruck über ihre Vorbereitung auf die EM

In diesem Jahr kann man aber sowieso sagen, dass Du in einer Top-Form unterwegs bist. Ich habe mir die Eckdaten Deiner Saison angeschaut. Da folgte eine Bestleistung auf die nächste. Woran machst Du die bisherigen Erfolge – unter anderem Vizemeisterin bei den Deutschen Meisterschaften, Bronze als Einzelleistung und Gold mit dem Team beim Europacup – fest?

Aufgrund von Corona hatten sich bei uns die Wettkämpfe wieder nach hinten verschoben. Eigentlich wollte ich Anfang/Mitte Februar in Barcelona laufen. Das wurde verlegt. Dann wollte ich bei einem anderen Rennen laufen. Das wurde komplett abgesagt. Und somit geriet meine gezielte Vorbereitung, die bei mir ungefähr im November nach Olympia wieder angefangen hatte, ins Schwanken und ich habe gemerkt, wie ich falle. Im Training kamen die Zeiten nicht mehr. Ich habe mich nur noch schlecht gefühlt und man hat einfach vom Kopf gemerkt: Jetzt müssen endlich die Wettkämpfe kommen. Lille war quasi mein erster Wettkampf. Zuvor habe ich einen Waldwiesenlauf bei uns in der Region mitgemacht. Der lief ganz gut mit Streckenrekord. Dann kam das Rennen in Lille und zwei Wochen später bin ich in Berlin gelaufen, wo ich auch noch einmal eine Bestzeit erreicht habe. Und da habe ich gemerkt: ‚Jetzt komme ich rein. Jetzt bin ich im Wettkampfmodus.‘

Einen Marathon bist Du 2022 bisher noch nicht gelaufen.

Ja, das waren alles, ich nenne sie einmal ‚Unterdistanzen‘ – im Vergleich zum Marathon. Ich hatte im Frühjahr von Anfang an keinen Marathon geplant.

Aus welchem Grund?

Ich wollte keinen laufen, weil mir einfach die letzten eineinhalb, zwei, drei Jahre gereicht haben. Ich bin ja trotzdem im Vorfeld zum Olympischen Marathon dreimal die Norm gelaufen und irgendwann hat es mir gereicht. Ich war körperlich kaputt, aber auch mental gesättigt.

Deswegen war für mich von Anfang an klar: Im Frühjahr laufe ich keinen Marathon. Im Training habe ich mich dann auch ein bisschen mehr auf die Unterdistanzen konzentriert und habe dementsprechend die Wettkämpfe nicht aus dem Marathon-Training herausgemacht, wie meistens in den Jahren zuvor. Sondern ich habe mich spezieller vorbereitet und auch ein bisschen mehr an der Schnelligkeit gearbeitet. Das ist dann natürlich auch das Ergebnis. Wobei ich sagen muss: Den Halbmarathon traue ich mir noch schneller zu. Wir sind jedoch nicht ganz so die Freunde. Ich laufe lieber fünf und zehn Kilometer sowie Marathon als Halbmarathon.

Wann hast Du speziell mit dem Training auf die European Championships 2022 Munich und den Marathon begonnen?

Im Grunde habe ich im Frühjahr schon die Grundlagen gelegt und dann aber natürlich mehr Wert auf kurze Intensitäten gelegt. Meine längsten Dauerläufe waren 25 Kilometer lang. Nach den Deutschen Meisterschaften habe ich mit den MSL-Läufen angefangen. Jedoch nicht so umfangsbetont, wie Marathon-Training eigentlich ist, da ich noch den Europacup hatte. Und man kann eben nicht unheimlich viel Umfang trainieren und gleichzeitig Intensität. Da muss man sich schon ein kleines bisschen entscheiden. Vor allem, wenn man sagt, dass man bei der Zehn auf der Bahn (Anm.d.Red.: 10.000-Meter-Lauf) noch einmal schnell laufen will. Nach dem Europacup ging das Marathon-Training bei mir dann richtig los. Wir haben den Umfang dann hochgezogen.

Wie muss man sich das im Hinblick auf gelaufene Kilometer vorstellen?

180 bis 200 Laufkilometer die Woche und dazu kamen im Schnitt vier bis sechs Stunden unspezifisches Training pro Woche. Das ist schon eine Masse an Training. Und da finde ich es gerade sehr angenehm, dass es nun ein wenig herunterfährt (lacht).

Marathonläuferin Katharina Steinruck bei den European Championships 2022: “Eine Heim-EM ist mega”

Die Norm für die EM in München und die WM in Eugene (USA) bist Du schon weit im Voraus der Events gelaufen. Du konntest Dich quasi entscheiden, wo Du laufen wirst. Wieso ist die Entscheidung auf die EM in München gefallen?

Die Entscheidung habe ich mir wirklich nicht leicht gemacht. Natürlich: Eine Heim-EM ist mega und kommt eigentlich immer vor einem Event, das außerhalb von Deutschland stattfindet – keine Frage. Einfach aufgrund des Presserummels, für den Verein, es können endlich einmal wieder Familie und Freunde an der Strecke sein. Und die EM ist jetzt nach der WM. Man erinnert sich im Herbst also mehr an die EM als an die WM. Es ist länger in den Köpfen.

Interview: Michelle Brey

Foto: Robert Steinruck

Teil zwei des Interviews erscheint am Donnerstag, 11. August 2022.