Für Fußballspielerin Saskia Matheis beginnt zur Saison 2022/23 ein neues Kapitel. Die 25-Jährige wechselt von Eintracht Frankfurt zum SV Werder Bremen. Über ihre Anfänge im Fußball, ihren Abschied von der SGE, ihre neue Aufgabe, die Doppelbelastung aus Profifußball und Uni sowie die Entwicklung im Frauenfußball: In der Sommerpause stand mir Saskia Rede und Antwort.

Eine leichte Entscheidung sei es nicht gewesen, sagt Saskia über ihren Abschied von Eintracht Frankfurt. „Ich glaube, ich habe es ehrlich gesagt noch gar nicht so richtig realisiert. Erst, wenn ich in Bremen angekommen bin und mich eingerichtet habe und dann wirklich alles dort miterlebe, merke ich ‚Wahnsinn, du bist gar nicht mehr in deiner Heimat, deiner Komfortzone‘“, so die 25-Jährige.

Der Schritt nach Bremen ist ihr erster Wechsel im Damenbereich. 15 Jahre lang spielte Saskia in Frankfurt: Anfangs beim 1. FFC, schließlich – nach der Fusion im Jahr 2020 – bei der Eintracht. Ihre Anfänge im Fußball liegen allerdings noch um einiges weiter zurück. „Es gibt Bilder, da kann ich gerade laufen und habe einen Ball am Fuß“, erzählt sie mir grinsend. Kein Wunder, dass es Saskia schließlich in einen Fußballverein zog. Im Alter von vier Jahren durfte sie „endlich“ bei dem TV Dreieichenhain, dem „Verein vor Ort um die Ecke“, kicken. Zu Beginn noch im Tor, erkannte ein Trainer ihre Qualitäten als Feldspielerin recht schnell.

„Ich hatte aber auch Trainer, die gesagt haben ‚Frauen gehören nicht auf den Fußballplatz‘ – und dann habe ich gar nicht mehr gespielt“, blickt sie auf die Anfangszeit zurück. „Ganz leicht hatte ich es nicht“, fügt sie an. Allen Widerständen zum Trotz führte der Zufall Saskia schließlich zum 1. FFC Frankfurt. Bei einem Mädchenfußballcamp des Vereins stach sie heraus. Von nun an nahm  sie einmal wöchentlich ohne Vereinszugehörigkeit an einem Talentfördertraining des 1. FFC teil – neben ihrem Training bei den Jungs.

Fast gleichzeitig wurde Saskia auch vom DFB-Stützpunkt angefragt und wechselt kurz darauf bei den Jungs in eine höhere Liga. Erst 2007 zog es Saskia als Vereinsmitglied zum 1. FFC Frankfurt – zumindest halb. Denn bis zur U17 spielte sie noch mit einer Gastspielerlaubnis zusätzlich in einer Jungenmannschaft des FV 06 Sprendlingen. Über die U17-Juniorinnen Bundesliga Süd und anschließend die 2. Bundesliga im Damenbereich, schaffte Saskia schließlich den Sprung ins Profiteam des 1. FFC Frankfurt und die Frauen-Bundesliga.

„Lange Leidenszeit“: Fußballprofi Saskia Matheis fiel knapp zwei Jahre lang aus

Insgesamt 52 Einsätze in der zweithöchsten Spielklasse in Deutschland und 44 Pflichtspiele in der Frauen-Bundesliga bestritt die 25-Jährige für den 1. FFC Frankfurt beziehungsweise Eintracht Frankfurt. Von Verletzungen blieb Saskia jedoch nicht verschont. „Ich hatte eine lange Leidenszeit“, erinnert sie sich. Fast zwei Jahre lang fiel sie aufgrund von Knieverletzungen und Operationen aus. Stoppen ließ sie sich dadurch aber nicht. „Ich bin in Frankfurt jeden Tag ins Training gegangen, habe geackert, gearbeitet – auch mit dem Studium, dass das alles funktioniert und ich auch dort gut durchkomme“, sagt die Lehramtsstudentin.

Dennoch: „In der letzten Zeit habe ich bei der SGE nicht viel gespielt. Frankfurt mit der Champions League und der Doppelt- und Dreifachbelastung, das wäre natürlich schön gewesen, mitzunehmen. Aber ich glaube, dass es für mich schwierig geworden wäre, dort weiter Fuß zu fassen. Ich bin ein bisschen auf der Stelle getreten. Und ich habe für mich selbst neue Strukturen, eine neue Umgebung gebraucht.“ Sie fügt an: „Zudem dachte ich mir: ‚15 Jahre ist eine gute Zahl. Wenn du jetzt noch ein oder zwei Jahre bleibst, dann gehst du gar nicht mehr. Deshalb habe ich mich dann getraut und gesagt: Jetzt reicht es und ich versuche mal etwas Neues.‘“

Saskia Matheis will „den nächsten Schritt gehen” und “Konstanz zeigen”

Liga-Konkurrent SV Werder Bremen ist das neue Ziel. „Ich glaube schon, dass das recht schwierig wird. Ich bin ja quasi auch das erste Mal von zu Hause weg. Daher sind das für mich gleich fünf Riesen-Schritte auf einmal“, erzählt sie ernst.

In Bremen wolle die 25-Jährige „den nächsten Schritt gehen“, Führungsspielerin werden, ihre Erfahrungen aus sieben Jahren in der höchsten Spielklasse Deutschlands einbringen und weitergeben. „Ich will komplett fit werden, Konstanz zeigen und keine Verletzungen haben, sodass ich echt einmal vollständig spiele. Eigentlich will ich so ein bisschen die Freude an dem Ganzen wiederfinden, was natürlich mit den ganzen Verletzungen immer schwierig war“, sagt sie.

Saskia Matheis spielt ab der Saison 2022/23 für den SV Werder Bremen. © WERDER BREMEN

Neustart für Saskia Matheis beim SV Werder Bremen

Der SV Werder Bremen habe viel Potenzial – und eine gute Mischung aus jungen und erfahrenen Spielern, so Saskia. Mit fünf Punkten Abstand zum ersten Abstiegsplatz sicherte sich Bremen auf Platz neun (von zwölf) in der Saison 2021/22 den Klassenerhalt.

„Das Ziel ist es, sich mit Bremen jetzt im Mittelfeld zu etablieren. Mein Ziel ist es – ich bin da immer recht ambitioniert -, dann natürlich auch weiter nach oben zu klettern, möglicherweise Vereine hinter sich zu lassen, die vergangene Saison noch vor einem waren“, erklärt sie. Ende Juli startet die 25-Jährige mit ihrem neuen Team in die Vorbereitung. Schon am dritten Spieltag kommt es dann zum Aufeinandertreffen mit ihrem ehemaligen Verein.

Trotz neuem Kapitel, mit neuer Stadt und neuem Team, bleibt die Verbundenheit zu ihrem alten Verein bestehen – das wird im Gespräch mehr als nur einmal deutlich. Zu viele schöne Momente habe sie in den zurückliegenden 15 Jahren in Frankfurt erlebt, erzählt sie mir lächelnd. Ob Süddeutsche Meisterschaft in der U17-Bundesliga oder der Gewinn der Champions League im Jahr 2015, sowie „die Erinnerungen an die Party danach“: Highlights gab es für Saskia in Frankfurt einige.

„Anstrengend, nervenaufreibend und stressig“: Saskia Matheis über die Doppelbelastung aus Studium und Profifußball

Zwischen Erfolgen, Verletzungen und dem Kampf zurück auf den Platz, hing sich Saskia auch in der Universität ins Zeug. Als „sehr anstrengend, nervenaufreibend und stressig“ beschreibt sie die Doppelbelastung kurz und knapp. Besonders in den ersten beiden Semestern mit vielen Praxis- und Theoriekursen sei es eine große Herausforderung gewesen, beides unter einen Hut zu bekommen.

„Morgens um acht Uhr in der Turnhalle zum Badminton, danach zum Schwimmen, dann Theoriekurse, und anschließend zum Training“, beschreibt sie einen typischen Tagesablauf. „Da war es natürlich klar, dass die Leistung, die man erbringt, nicht wirklich die ist, die man erbringen könnte“, fügt sie an und ergänzt: „Im Endeffekt ist es als Frau leider so ein bisschen der Nachteil irgendwie nebenbei noch etwas machen zu müssen. Und wenn man dann das Ziel hat Lehrerin zu werden, führt der Weg an der Uni eben nicht vorbei.“

Mittlerweile fehlen der 25-Jährigen nur noch zwei Kurse und die Examensarbeit, um das Studium erfolgreich abzuschließen – und sich anschließend komplett auf den Fußball beim SV Werder Bremen konzentrieren zu können.

Fußballprofi Matheis: „Warum geht das nicht in Deutschland?“

Im Schnitt erwarten Saskia bei ihrem neuen Verein 365 Zuschauer pro Spiel – geht man von Zuschauerwerten der Saison 2021/22 aus. Ein Vergleich: Eintracht Frankfurt war in der vergangenen Saison mit einem Durchschnittswert von 1.576 Zuschauern laut kicker.de Spitzenreiter in der Bundesliga.

Zwar hat der Frauenfußball in den vergangenen Jahren gewaltige Schritte nach vorne gemacht. Dennoch hinkt man hierzulande noch immer hinter anderen Nationen hinterher. Während die Zuschauerzahlen in der Frauen-Bundesliga oftmals den vierstelligen Bereich überhaupt nicht erreichen, verfolgten in Spanien im März 2022 mehr als 90.000 Zuschauer das Frauen-Clásico zwischen dem FC Barcelona und Real Madrid. Ein Rekord – und ein Wert, von dem man in Deutschland weit entfernt zu sein scheint. Ein Beispiel: Das Champions-League-Viertelfinale der Frauenmannschaft des FC Bayern München sahen 13.000 Zuschauer. Das Spiel war das erste, das in der Allianz Arena ausgetragen wurde. Auch die deutsche Nationalmannschaft spielte bereits 2019 vor einer Riesen-Kulisse – allerdings in England: 77.768 Menschen kauften sich ein Ticket für das Länderspiel.

„Geht man in England mal in eine U-Bahn und auf die Straße, sieht man dort diese ganzen Werbeplakate. Dort ist der Frauenfußball sichtbar. Wenn man bei uns in die U-Bahn oder in die Stadt geht, kriegt kein Mensch davon etwas mit. Frauenfußball ist einfach nicht existent. Auch in Barcelona: Im Fanshop sind sowohl Männer als auch Frauen abgebildet – in gleichen Teilen. Warum geht das nicht in Deutschland? Ich kann es nicht genau benennen, wo das Problem liegt. Aber ich glaube, es gibt noch viele engstirnige Menschen in Entscheidungspositionen, die nicht offen dafür sind, Frauen in den Fußball zu lassen. Das ist das, was man selbst gelegentlich mitbekommt“, führt Saskia im Gespräch aus.

Das Verständnis und das Wissen über das Potenzial des Frauenfußballs sei gegeben, doch dann hieße es: Man habe ja noch Zeit, man schaue sich einmal die Entwicklung an. „Und genau da muss man halt eigentlich sagen: Langsam ist der Zug abgefahren, wenn man nach Amerika, England oder etwa Spanien schaut.“

„Equal Pay und Equal Play bedingen sich gegenseitig“: Werder-Profi bezieht klar Stellung

Ähnlich verhält es sich mit der zuletzt viel diskutierten Thematik rund um Equal Pay. Zum Hintergrund: Kurz vor der Frauen-Europameisterschaft verkündeten acht europäische Verbände – angestoßen durch die Entwicklung in den USA – eine Form von Equal Pay umzusetzen. Dazu zählen England, Norwegen, Finnland, Schweden, Island, Spanien, die Niederlande und die Schweiz. Equal Pay bezieht sich hier auf Prämien und/oder Sponsorengelder. In Deutschland erhöhte der DFB die Prämien für einen EM-Sieg auf 60.000 Euro pro Spielerin. Das entspricht einer deutlichen Erhöhung im Vergleich zu 2017. Vergleichbar ist die Prämie mit der, die Männer erhalten, nicht.

Auch in Deutschland bezog eine Nationalspielerin Stellung zur Thematik an sich. In einem Interview mit Sky Sport sagte Giulia Gwinn im Juni: „Für uns geht es nicht um Equal Pay, sondern Equal Play – also darum, gute Bedingungen zu schaffen.“

Saskia schlug im Gespräch ähnliche Töne an. Equal Pay werde häufig auf eine Stufe gestellt mit „wir wollen gehaltstechnisch genau das gleiche wie die Männer“. Das sei ein Irrtum, wie Saskia erklärte. „Man darf nicht verwechseln, dass wir nach wie vor dafür sind, dass wir angemessen bezahlt werden, aber, dass zumindest ich den Umfang, in dem Männer bezahlt werden, einfach utopisch finde. Zu fordern, dass Frauen genau das gleiche verdienen wie Männer, das fände ich einfach auch nicht gerechtfertigt.“

Sie könne voll und ganz nachvollziehen, dass der mediale Auftritt und die Nachfrage für Frauenfußball sich nicht auf einem ähnlichen Niveau befinden wie im Männerfußball. „Dennoch ist es leider so, dass viele Spielerinnen in der Bundesliga – der höchsten Liga in Deutschland – immer noch nicht davon leben können, nur Fußball zu spielen. Und dahingehend muss man schon sagen: Wir brauchen eine Gehaltsanpassung, um voll professionell Fußballerin zu sein. Es gibt so viele, die nebenbei Geld verdienen müssen, um am Monatsende auf null zu kommen.“

Equal Pay und Equal Play würden sich gegenseitig bedingen, erklärte Saskia ihre Sichtweise. „Wie positiv sich die Qualität der Liga in den letzten Jahren entwickelt hat, ist eine Folge dessen, dass vieles einfach professioneller wurde. Um die Liga generell attraktiver zu gestalten und damit auch mehr Interessenten zu locken, führt nur über diesen Equal-Play-Gedanken, so sehe ich das“, schloss sie ab.

Text: Michelle Brey

Fotos: WERDER BREMEN